Der Schlüssel steckt im Schloss der alten, grünen Holztür. Es ist eine sehr alte Haustür, grün lackiert und sie dient uns als Nebeneingangstür, besonders wenn wir mit dem Hund zurückkommen. Früher war er die Tür zu einem Raum, in dem Konfirmandinnen und Konfirmanden ihren Unterricht erhalten haben. Manchmal diente er auch als Klassenzimmer der nahegelegenen Grundschule und unser Vormieter hatte in dem großen Raum mehrere Tiefkühlschränke für sein erlegtes Wild untergebracht. Heute ist der Raum Abstellkammer und Kickbox-Gym, Party-Location, Durchgangszimmer, Getränkelager, Werkzeug- und Weihnachtsschmuck-aufbewahrung.
Mein Blick fällt auf den Schlüssel im Schloss und wie automatisch nehme ich ihn heraus für den Fall, dass Mia wieder einmal ihren Haustürschlüssel vergessen hat und hänge ihn an den Haken. Mein Blick bleibt an diesem Bild und diesem Gedanken hängen. Mia ist tot. Sie wird nie mehr mitten in der Nacht einen von uns anrufen, weil sie nicht ins Haus kommt. Nie mehr.
Und dann kommen sie hoch – die vielen Bilder aus unserem Leben mit ihr.
Biographien werden in der Regel über Menschen geschrieben, die prominent sind, die bedeutende Dinge beeinflusst haben. Die folgenden Geschichten gewinnen ihre Bedeutung vielleicht erst viel später -als interessantes Familiendrama, als Mahnung zum Umgang mit Drogen und Abhängigen, als Stütze für diejenigen, die trauern. Und eines kann ich heute schon sagen: Mia hat mehr Menschen beeinflusst und ist mehr Menschen im Herzen gewesen als ihr selbst offenbar bewusst gewesen ist.
Mia Marie Hürter wurde am 24. Dezember 1999 geboren und sie starb am 11. Dezember 2020. Dies ist ihre Geschichte, meine Geschichte, unsere Geschichte …
Fortsetzung folgt…
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Hier eine kleine Geschichte von Mia im Sportunterricht der Grundschule:
Beginn der Sportstunde, alle Kinder dürfen sich in der Halle bewegen, aber nicht auf und mit den Geräten, wenn sie umgezogen sind. Ich ziehe mich selber um, einige Kinder kommen in die Halle, durchs Fenster meiner Umkleide sehe ich sie laufen und Fangen spielen. Als ich in die Halle komme, stehen alle Kinder still und schauen zu den Kletterseilen: Oben auf dem Befestigungsträger sitzt Mia und strahlt alle an. Da war sie, wie so oft, entgegen aller Ansagen doch an den Seilen affenflink nach oben geklettert und hatte es sich auf dem Träger bequem gemacht, während wir unten natürlich Angst um sie hatten, dass sie abstürzen könnte, so wie sie dort oben hockte. Als ich sie dann aufforderte herunter zu kommen, schnappte sie sich ein Seil und rutschte herunter. Auf die Frage, warum sie sich denn wieder mal nicht an die Regeln gehalten hätte, nämlich kein Gerät zu benutzen, schaute sie nur schuldbewusst und zuckte mit den Schultern. Wie üblich hatte sie es schwer, sich an Regeln zu halten, ohne Rücksicht auf sich selbst. So war sie, so und nicht anders kannten wir sie und werden sie in Erinnerung behalten, Mia Mariechen.
(Text von Axel Kliemann, Mias Grundschullehrer und Gründungsmitglied des Vereins)
Mia…am Einschulungstag 2017 betrat ein blonder Wirbelwind unseren Klassenraum. Ein zierliches, hübsches junges Mädchen gesellte sich zu uns, bei vielen Gesprächen war sie dabei, nett, freundlich und selbstbewusst. Man konnte Mia für viele Themen begeistern.
Soziales Engagement war ihr besonders wichtig. Und dabei ganz nah an den Menschen.
Bei einem Klassenausflug nach Hamburg vermisste wir sie. Sie war doch eben noch da! Wo konnte sie nur sein? Nach einiger Suche fanden wir sie im Gespräch mit einem Obdachlosen. „Der Mann musste aufgemuntert werden. Das musste ich mal eben machen.“, war ihre Antwort auf diese Situation. Sie hatte ihre eigenen Prioritäten!
In der Schule stand Weihnachtsbäckerei mit Erstklässlern auf dem Programm. Mia hatte zwei Kinder anzuleiten. Pausenlose Gespräche und ein gutes Backergebnis waren der Erfolg des Vormittags. Es gab zufriedene Kinder, die Mia in ihrer Rolle als Anleitern voll akzeptiert hatten.
Aber auch für Tiere konnte sie großes Engagement entwickeln. Ein freiwilliges Praktikum im Kuhstall, verbunden mit sehr frühem Aufstehen. Kein Problem für Mia! Sie hatte viel Einfühlungsvermögen für die Tiere. Die neugeborenen Kälber lagen ihr sehr am Herzen.
Ich habe den Eindruck, dass Mia ein sehr intensives Leben gelebt hat. Anders, als das, wie es in unserer „normalen“ Vorstellung sein sollte. Aber sie hat ihr Leben gelebt.
(…)
Leb wohl, liebe Mia, in einer anderen Welt und danke, dass ich Dich kennenlernen durfte!
Liebe Mia,
heute ist Dein 21. Geburtstag und wir müssen ihn ohne Dich begehen...Zugleich das erste Weihnachtsfest ohne Dich...Du fehlst so und das Herz ist uns so schwer...
Dazu die Fragen nach dem Warum und dem Was-wäre-gewesen-wenn...
Wir haben gedacht, Liebe und ein stabiles Umfeld reichen...Aber geprägt von Deinen vorgeburtlichen Erfahrungen, dem Drogenkonsum Deiner leiblichen Mutter und Deinem Entzug nach der Geburt, gab es da etwas, was Dich auf einer ganz tiefen Ebene in genau diese Welt zog... bis Dein Körper nicht mehr konnte...
Ich wünschte, wir hätten Dich davor beschützen können!
Und doch gab es auch Deine andere Seite, die so unglaublich hell strahlte! Die Mia, die so vielen hier als diejenige in Erinnerung bleibt, die immer freundlich war, gegrüßt hat und Zeit für ein paar Worte fand. Die in anderen immer Chancen sah. Die keine Berührungsängste kannte, mal eben auf einem Schulausflug in Hamburg verschwand und bei einem Obdachlosen sitzend wiedergefunden wurde, weil dieser „gerade Aufmunterung brauchte“. Die Mia, die schon immer gerechtigkeitsliebend war und sich vor allem auch für andere eingesetzt hat. Die kreative Mia, die so gut zeichnen konnte, musikbegabt und sportlich war. Die Hunde- und Tierflüsterin, die im Praktikum selbst einen grummeligen Gecko für sich einnehmen konnte.Die Schnutenkönigin, die auf so vielen Fotos Grimassen zieht. Die große Schwester, die bildlich gesprochen ihr Schwert gezogen hat und bereit war, in den Kampf zu ziehen, wenn ein Junge ihrer kleinen Schwester weh getan hat. Die Mia, die auch mal mit Oma Kuchen essen gegangen ist oder mit Altenheimbewohner:innen ein Schwätzchen gehalten hat.Die Mia, die nicht nachtragend war. Die Mia, die sich nur schwer an Regeln halten konnte und mich damit verrückt gemacht hat, den Toilettendeckel auf zu lassen. Aber darin warst Du konsequentDie Mia, die Unterhaltungen bei WhatsApp immer mit „Huhu“ begann. Die ihr Leben intensiv gelebt hat und sich nicht daran gestört hat, was andere darüber denken. Die Mia, der nicht bewusst war, wie wichtig sie für andere Menschen ist
Mia, es gäbe noch so viel zu sagen, über Dich, den „schillernden Paradisvogel“ und es wird doch nie genug sein...
Ich wünsche Dir, dass es Dir gut geht, wo auch immer Du jetzt bist und dass Deine Seele Frieden und Leichtigkeit findet
In Liebe, Mama
Ihre Webseite Mia Mariechen e.V. ist wirklich, wirklich schön geworden... diese weckt auch in mir tolle und wunderbare Begegnungen mit Ihre Tochter Mia in der Schulzeit an der ERS. Mia war bei mir in der Schülerfirma ,,Soziteam,, tätig.
Kurze Erinnerung: Beim Umbau des Beratungszimmers, an dem auch Mia beteiligt war, fragte mich Mia, ob sie Musik anmachen dürfe. Ich erlaubte ihr das mit der Bitte die Box nicht zu laut zu machen... woran sich Mia auch hielt. Als sie die Musik anmachte lief eine Band, die ich bis dato noch nicht kannte und die wirklich sehr gut war.
Da ich selber ,,Haevy Metal'' höre fragte ich sie, welche Band das auf ihrer Box sei. Sie antwortet: VOLBEAT...! Seit dem Zeitpunkt höre ich immer wieder diese Band und finde sie bis heute super.
Liebe Mia Danke dafür! Wir werden dich immer in Erinnerung behalten!'
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